IT/TR/ES 1997, 95 Min., OmU, Regie: Ferzan Özpetek, mit Alessandro Gassmann, Halil Ergün
Der römische Innenarchitekt Francesco erbt von seiner Tante ein altes Hamam in Istanbul und beschließt, das Gebäude zu renovieren. Hilfe bekommt er von Mehmet, der ihn auch in die Geheimnisse der Hamam-Kultur einführt und ihm dabei auch körperlich immer näherkommt.
Regisseur Ferzan Özpetek („Die Ahnungslosen“) nutzt die homoerotische und höchst sinnliche Atmosphäre türkischer Bäder und den Zauber der Metropole am Bosporus, um in verführerischen Bildern von einem sexuellen und kulturellen Erwachen zu erzählen – und vom Eintauchen in eine einzigartige, faszinierende Welt.
Tom Hoopers Spielfilm erzählt einen Teil der Lebensgeschichte von Lili Elbe, die sich 1930 als eine der ersten Personen in Deutschland einer „geschlechtsangleichenden“ Operation unterzog.
Als der dänische Maler Einar Wegener (Eddie Redmayne) seiner Frau aushilfsweise als weibliche Person Modell sitzt, findet er Gefallen an der Rolle und entdeckt seine lang verborgene weibliche Seite wieder. Diese lässt ihn nicht mehr los, und unter dem Namen ‚Lili‘ präsentiert er sich auch öffentlich als Frau. Wegen der dabei entstehenden Spannungen in der Beziehung sucht Lili Rat bei verschiedenen Ärzten. Sie entgeht einer Zwangspsychiatrisierung, wendet sich u.a. an Magnus Hirschfeld in Berlin und schließlich unterzieht sie sich mehreren bisher unerprobten, riskanten Operationen in Berlin und Dresden. Bei der letzten Operation stirbt Lili Elbe an den Komplikationen.
Einfühlsam und ohne Voyeurismus wird diese Geschichte, die in den 1930er Jahren international Aufmerksamkeit erregte, erzählt. Lili Elbe wird sowohl von Trans- als auch von Interpersonen als Ahnin angesehen.
Nach zehn Jahren kehrt Jérémie in seinen Heimatort Saint-Martial im Südosten Frankreichs zurück, um an der Beerdigung des Dorfbäckers Jean-Pierres teilzunehmen. Als Teenager war Jérémie dessen Lehrling – und vielleicht noch mehr. Von Vincent, dem latent gewalttätigen Sohn des Verstorbenen, wird Jérémie mit Argwohn empfangen, aber auch mit unterschwelligem Begehren. Die Bäckerswitwe Martine bietet ihm einen Schlafplatz an und sucht etwas direkter seine körperliche Nähe. Ambivalente sexuelle Spannungen erzeugt der mysteriöse Rückkehrer auch bei Bauer Walter und dem neugierigen Pfarrer Grisolles. Als Vincent spurlos verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf Jérémie.
Auch in seinem neuen Film „Misericordia“ spinnt Alain Guiraudie („Der Fremde am See“), der Meister der sinnlich-abgründigen Provinzerzählung, ein subtiles Netz aus gehemmter Lust und erotischen Manipulationen – und entwirrt es wieder mit skurrilen Wendungen und absurdem Humor.
Alexis (Félix Lefebvre) gerät Mitte im Sommer 1985 beim Segeln an Frankreichs Mittelmeerküste in Seenot und wird vom coolen David (Benjamin Voisin) gerettet. Die beiden Teenager haben bald eine unbeschwerte leidenschaftliche Affäre, die ein wahrer Rausch ist und weder von Identitätskonflikten von innen noch von Diskriminierung von außen gestört wird. Allerdings ist die Beziehung auch nur wenigen bewusst.
Nach einem Streit der beiden, auch wegen des Auftauchens von Kate in ihrem Leben, verunglückt David mit seinem Motorrad tödlich. Zusätzlich zu seiner eigenen Trauer wird Alexis von Davids Mutter für dessen Tod verantwortlich gemacht und von einer gemeinsamen Trauer ausgeschlossen und auch nicht zum Grab gelassen. Er selbst spricht von einer Besessenheit. Familie, Schule und Umfeld sind keine Hilfe für ihn. Nur er selbst kann schließlich seine Trauer überwinden – letztlich nur über den Tanz auf dem Grab, den David sich gewünscht hat.
François Ozon hat Aidan Chambers Roman „Dance on My Grave“ liebevoll mit starken Bildern und Tönen verfilmt und erzählt dabei eben keine typische Coming-out-Geschichte eines heißen Sommers.
Faraz Shariat, D 2020, 92 Min., Deutsch & Farsi mit deutschen Untertiteln, FSK 16
Parvis
wächst als Kind der Generation Y im komfortablen Wohlstand
seiner eingewanderten iranischen Eltern auf. Dem
Provinzleben in Hildesheim versucht er sich durch Popkultur,
Grindr-Dates und Raves zu entziehen. Nach einem Ladendiebstahl
leistet er Sozialstunden als Übersetzer in einer Unterkunft für
Geflüchtete. Dort trifft er auf das iranische Geschwisterpaar
Banafshe und Amon. Zwischen ihnen entwickelt sich eine
Dreierbeziehung, die mit der Homophobie eines Teil der Bewohner und
der drohenden Abschiebung Amons konfrontiert ist.
Gespickt mit Popreferenzen erzählt Futur Drei auf sensible und kraftvolle Art eine Geschichte von Fremdheit und Identität, von Liebe und Freundschaft.
Die bewegende Fortsetzung zeigt, wie sich das Leben von vier der Queers verändert hat. Die Vier teilen ihre Erfahrungen, die sie auf der Suche nach Identität und Selbstverwirklichung gemacht haben.
Ende der Neunziger Jahr begleitete Daniel Peddle fünf Jahre lang sechs junge, queere, maskulin präsentierende und identifizierende People of Color, die Einblicke in ihre subkulturelle Szene der „Aggressives“ geben. Ein wichtiges Zeitdokument aus dem lebendigen Universum der New Yorker Ballroom- und Nightlife-Szene und dem Anspruch auf eigenen Raum und Identität.
F 2017, 144 min. FSK 16, digital OmU. Regie: Robin Campillo
Paris,
Anfang der 90er. Seit fast zehn Jahren wütet Aids in Frankreich,
doch noch immer wird über die Epidemie in weiten Teilen der
Gesellschaft geschwiegen. Mitterrands Regierung kümmert sich nicht
um sexuelle Aufklärung und die Pharma-Lobby verschleppt die
Entwicklung neuer Medikamente. Act Up, eine Aktivistengruppe von
Betroffenen, will auf die Missstände aufmerksam machen, teils mit
spektakulären Aktionen. Wie weit diese gehen dürfen, wird bei den
wöchentlichen Treffen kontrovers diskutiert.
Als
der 26-jährige Nathan, der selbst HIV-negativ
ist, zu Act up stößt, zieht ihn die Entschlossenheit der
Gemeinschaft sofort in ihren Bann. Und er verliebt sich in Sean, den
Mutigsten und Radikalsten der Gruppe. Zusammen kämpfen sie an
vorderster Front, selbst dann noch, als bei Sean die Krankheit schon
längst ausgebrochen ist
Der aus Marokko stammende französische Regisseur Robin Campillo engagierte sich in den 90ern jahrelang selbst bei Act Up (Aids Coalition to Unleash Power). Auf Basis seiner persönlichen Erfahrungen zeigt er in „120 BPM“ die kontroversen Debatten und spektakulären Aktionen der Gruppe – und setzt damit dem europäischen Aids-Aktivismus ein längst überfälliges filmisches Denkmal.
AT/BE 2020, 107Min., FSK16, Digital. Regie: Eva Romen, mit Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed u.a.
Mario (Thomas Prenn) ist leidenschaftlicher Tänzer. Doch in seinem Heimatdorf in den Südtiroler Alpen gibt es dafür keine berufliche Zukunft und auch sonst trifft Mario dort auf wenig Verständnis. Dennoch kann er sich nicht vorstellen, das Dorf zu verlassen. Ganz anders ist da Marios Jugendfreund Lenz (Noah Saavedra). Dieser hat den Weg in die Freiheit geschafft und in Wien Schauspiel studiert. Zum Weihnachtsbesuch in Tirol erzählt er Mario von seinen Plänen eines Auslandsstudiums in Rom. Dies ermutigt auch Mario, endlich eine Tür aufzutun: Warum nicht mitkommen?
Doch bereits am ersten Abend in Rom passiert die Katastrophe: als Mario und Lenz eine Schwulenbar besuchen, wird diese von einem islamistischen Terroranschlag heimgesucht, bei dem Lenz erschossen wird. Bei seiner Rückkehr als Überlebender begegnet Mario in sein Dorf statt Anteilnahme Unverständnis und Missgunst. Warum hat es Lenz getroffen und Mario nicht? Erst in der Kleinstadt im Tal findet Mario Verständnis und Aufnahme – bei einer Gruppe junger missionierender Muslime.
Mit „Hochwald“ liefert Evi Romen ein beachtliches Regiedebüt ab, das mit einer unkonventionellen Handlung aufwartet und von einem talentierten Thomas Prenn in der Hauptrolle getragen wird. Der Film verhandelt eine Vielzahl an Themen rund um Heimat und Identität, die er mit Feingefühl bearbeitet, ohne in die Falle zu tappen, eine zu simple Antwort auf seine komplexen Fragestellungen zu geben.
Elene Naveriani; 2021 Georgien, 115 Min; OmU; Digital
In einem kleinen georgischen Dorf an der Küste des schwarzen Meeres führt Amnon seit 20 Jahren eine Strandkneipe. Der ruhige und beschauliche Alltag der Gemeinschaft, die davon überzeugt ist sich gut zu kennen und keine Geheimnisse voreinander zu haben scheint, wird durch den Tod von Eliko erschüttert. Der ältere Mann wird nämlich überraschend erhängt in seiner Wohnung gefunden. Als die Beerdigung organisiert werden muss, kehrt seine Enkelin Moe aus der Stadt aufs Land zurück und bringt damit die Ordnung des Landlebens und die Gefühle von Amnons Tochter Fleshka durcheinander. Skepsis und Zweifel mehren sich im Dorf und langsam kommen gut behütete Geheimnisse ans Tageslicht, die alles verändern werden.